Komplexe Gebilde für die Region
Andreas Denk: Ein Spaziergang mit Jörg Sturm und Susanne Wartzeck
„der architekt“ 01/2008
[…] Ist der Hasenhof typisch für den Ansatz von Sturm und Wartzeck?
Nein. Viele vermuten, dass nach dem Beispiel des Hasenhofs alle unsere Gebäude traditionell sein müssen. Das sind sie aber nicht. Vielleicht charakterisiert unsere Arbeit, dass wir nie ein Rezept verfolgen, sondern jede Aufgabe angehen, als ob sie völlig neu wäre, um dann zu einer Idee und einer Form zu kommen. Und nicht schon von vornherein zu wissen, dass wir im Kontext immer auf die gleiche Art und Weise bauen.
Wenn man partout nicht will, dass allein das Formalistische die Arbeit bestimmt, kann man nur ein intellektuell zusammenhängendes Werk schaffen. Ein Wiedererkennungswert entsteht so nicht. Höchstens eine gewisse Trockenheit, die manche Kollegen inzwischen als unsere Handschrift erkennen.
Zeigt die Rhön eine regionale Architektur, die es weiterzuentwickeln lohnt?
Der Hasenhof ist ein solcher Versuch. Wie die Gebäude zueinander stehen, wie die Oberflächen der Häuser gemacht und wie die Fenster und Türen gesetzt sind, ja sogar wie der Lattenzaun aussieht und steht, das hat unmittelbar etwas mit dieser traditionellen Architektur zu tun. Die einzige Abweichung ist die moderne Nut-Feder-Verbretterung, die die Verschindelung ersetzt, die wir hier bei älteren Bauten antreffen und der Dachüberstand, den man sich aus lauter Sparsamkeit bei historischen Rhön-Bauten gespart hat.[…]
Archetypus und Experiment
Interview anlässlich der Ausstellung
„sturm und wartzeck, archetypus und experiment“
im Deutschen Architekturzentrum Berlin
geführt von Kristien Ring, 11/2007
[…] Wer oder was inspiriert euch? Gibt es Vorbilder für Sturm und Wartzeck?
Unsere Entwürfe entstehen ja nicht autark. Sie haben Bezüge zu bereits bestehenden Projekten aber auch Anknüpfungspunkte an neue Materialien und Herstellungsverfahren. In diesem Sinne waren wir immer offen, es gibt es eine Fülle von Vorbildern. Als Gestalter bewundern wir am ehesten vielleicht Ray und Charles Eames –wegen Ihrer Vielfältigkeit, der wegweisenden Neuerungen aber vor allem wegen der scheinbaren Leichtigkeit Ihrer Arbeit.
Warum seid ihr Architekten geworden?
Wollten wir erst gar nicht. Während unseres ersten Studiums haben wir durch einen glücklichen Zufall ein Gebäude planen dürfen, welches dann 1996 den Hessischen Holzbaupreis gewann. Parallel gab es den Egon-Eiermann-Preis für ein Siedlungskonzept in Hellerau. Mit Folgeaufträgen sind wir in den Beruf hineingewachsen, ohne je in anderen Büros gearbeitet zu haben. Um Reibereien mit der Architektenkammer aus dem Weg zu gehen, haben wir später neben der Bürotätigkeit noch Architektur studiert. Eine autodidaktische Arbeitsweise ist uns aber ein Stück weit geblieben.
Wie würdet ihr eure Architektur, euer Design in fünf Sätzen beschreiben?
In unserer Arbeit sind uns oft Werkzeuge ein Vorbild. Ein Werkzeug entwickelt sich über einen längeren Zeitraum, am Ende steht im besten Fall ein selbstverständliches Objekt, bei welchem sich Form, Funktion und Semantik ergänzen. In diesem „Evolutionsprozess“ gibt es manchmal aber auch Änderungen, welche eine sprunghafte, entscheidende Verbesserung darstellen. Dieses Zusammenspiel interessiert uns: die Verwendung und Weiterentwicklung von bewährten Strukturen und gleichzeitig die experimentelle Suche nach Innovationen. […]
Vorbildliche Bauten im Land Hessen
Jörg Sturm und Susanne Wartzeck im Gespräch mit Christof Bodenbach
„Deutsches Architektenblatt“ 06/2003
[…] Was bedeutet für Sie Wohnen?
Der Wohnraum ist für uns die Bühne des täglichen Lebens: Der Raum als Hülle, mit den Möglichkeiten sich zurückzuziehen, privat zu sein, aber auch Gesellschaft zu pflegen. Für uns persönlich ist der Tisch mit sechs Stühlen immer der zentrale Punkt des Wohnraums gewesen. Und ein Schlafzimmer war immer nur ein Bett und nicht mehr. Diese völlige Leere wirft einen ganz auf sich selbst zurück, ein Zustand, der anscheindend nur für wenige lebbar ist. Für einen Bauherrn stehen die Nutzung des Gebäudes heute und die Möglichkeiten seiner Umnutzung in der Zukunft im Vordergrund. Wir schaffen eine Hülle, und es ist für uns unwesentlich, was der Bauherr da hinein stellt. Das ist der Grundgedanke der Bühne in der Praxis: eine Bühne schaffen, die der Bauherr füllen, möblieren, ausstaffieren und bespielen kann.
Wird es zukünftig völlig neue Wohnformen geben?
Die Ansprüche der Menschen an ihre Behausungen sind konstant. Die Architektur muss die Möglichkeit bieten, sich durch eine Hülle vor der Umwelt zu schützen oder abzugrenzen. Innerhalb dieser Hülle gibt es viele Spielarten des Raumprogramms. Wir können uns kaum vorstellen, dass es in der Zukunft völlig neue Faktoren gibt, die unser Wohnen darüber hinaus beeinflussen. […]